Lesebuch von Otto Wilhelm
Lesebuch von Hülzweiler
Geschichte(n) und Landschaft
von Otto Wilhelm & Co-Autoren
Digitalisierung und Internetaufbereitung: Hans Günter Groß
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Abendfrieden
Franz Braun
Auf einer Bank am Rand des Waldes
lausch ich dem Rhythmus der Zeit,
hoch über mir singt die Lerche,
sie weiß nichts von Hader und Streit.
Das Bächlein im Tale ganz leise,
es rieselt dem Dorfeingang zu,
und alles verschwindet im Schatten,
als hätte die Welt endlich Ruh!
Ich fühle die zärtlichen Winde.
Vom Blumenduft suß ist ihr Hauch,
ein Schmetterling fliegt noch vorübei,
dann ist er verschwunden im Strauch.
So sitz ich noch lange und träume,
vom Glück, das mir ist beschieden.
Die Stunden der Stille sie eilen,
und ich kehre heim in Frieden .
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Ein bisschen mehr Liebe
Franz Braun
Ein bisschen mehr Liebe und weniger Streit,
das wäre viel besser in heutiger Zeit.
Was nützt uns der Hader, wenn andere darben,
Menschen vor Hunger und Elend noch sterben.
Ein bisschen mehr Einsicht, dem Nächsten vertrauen,
anstatt ihn zu tadeln, ins Auge ihm schauen.
Gemeinsames Handeln, vorwärts zu streben,
das ist doch der Kern, die Seele vom Leben.
Ein bisschen mehr Hilfe, den Alten und Kranken,
sie werden mit Liebe die Taten Dir danken.
Lasst sie nicht einsam, sie können nichts dafür,
das Schicksal ist grausam, es kommt auch zu Dir.
Ein bisschen mehr Liebe und weniger Streit,
das wäre viel besser in heutiger Zeit.
Recht und Freiheit
Recht und Freiheit gilt für jeden,
So spricht das Naturgesetz.
Sklavenhändler, Diktatoren
spinnen am verkehrten Netz.
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Was mir ein "Hundertjähriger" erzählte
Otto Wilhelm
Es war mein Lieblingsonkel von der Stunde an, da ich mich an ihn erinnern konnte. Ich entstamme einer Großfamilie und war mit Tanten und Onkeln reich gesegnet. Doch wenn ich von meinem "Onkel" sprach, dann wusste jeder in der Familie, dass nur Onkel Nikolaus gemeint sein konnte.
Stundenlang saß ich als Kind zu seinen Füßen und lauschte seinen Geschichten und "Schnurren", die er bereitwillig mir zum Besten gab, wenn ich ihn damm bat. Er hatte die "Gabe des Erzählens", sagte man in der Familie, und sein Repertoire an Geschichten war schier unerschöpflich.
Onkel Nikl, oder "Nunkel" wie wir ihn nannten, war der älteste Bruder meines Vaters. Als ich als jüngstes Kind meiner Eltern zur Welt kam, war der Onkel schon 48 Jahre alt und für mich natürlich immer ein alter Mann, vom ersten Tag meiner Erinnerung an. Der Onkel war nicht groß von Gestalt, hatte schwarzes, volles Haar, einen großen Schnurrbart und einen für die damalige Zeit ungewöhnlichen Spitzbart, der mich besonders faszinierte.
Mit meinen Eltern hatte er ein gutes Verhältnis, und so verging keine Woche, in der er nicht ein oder zweimal bei uns einkehrte. Diese Besuche waren für mich immer ein besonderes Ereignis, den der Onkel hatte stets Zeit für mich. Je nach Laune oder Inspiration erzählte er mir aus seiner Jugendzeit, von seinen Streichen mit meinem Vater, von seiner Zeit als Bergmann oder Schießmann unter Tage oder Geschichten aus seiner Militärzeit, die mich immer besonders fesselten.
Aber nicht nur erbauliche Geschichten hörte ich, auch von Nöten und Unglück erzählte mir mein Onkel Nikl. So hörte ich von dem großen Unwetter am "Jakobstag" (25. Juli) 1892, das große Schäen in der ganzen Region annchtete:
Das Unwetter brach mittags gegen 4 Uhr los. Es waren heiße Tage vorausgegangen. Auf den Feldern standen schon die ersten Kornkasten, fast trocken zum Einfahren. Der Himmel wurde plötzlich ganz gelb, kein Regen fiel, nur der Sturm brach gewaltig los, Dächer wurden abgedeckt, der Turm der Kirche wurde vom Blitz getroffen brannte. Die Eltern und andere Erwachsene, so erzählte der Onkel, knieten in der Kirche und beteten den Rosenkranz. Alles war voller Angst und Schrecken. Nur der jüngste Bruder mit seinen fünf Jahren hat das Unwetter lustig gefunden und laut gejauchzt, wenn eine Komgarbe am Fenster vorbei flog.
Von der großen Typhusepidemie im Jahre 1893 wusste der Onkel auch zu berichten. In Hülzweiler waren über 300 Menschen erkrankt, und 31 Personen sind gestorben an der tückischen Krankheit. Auch sein Bruder Johann - mein Vater - sei dem Tode nahe gewesen. Als Ministrant war er mit dem alten Pastor Friedrich Flesch oft zu den Kranken gegangen, und meine Mutter war sehr besorgt wegen der Ansteckungsgefahr. Doch er blieb wie durch ein Wunder gesund. Fast jede Woche war eine Beerdigung im Ort, und die Leute waren glücklich, als die Epidemie im Jahr darauf ein Ende nahm,
Recht spannend war es immer, wenn mein Onkel von seinem Paten erzählte, der im Jahr 1892 eine Pilgerfahrt ins Heilige Land nach Palestina unternommen hatte. Es war ein gewaltiges Unterfangen für die damalige Zeit und die abenteuerlichen Erlebnisse fesselten mich sehr.
Auch Lustiges gab mein Onkel zum Besten. Gerne hörte ich die Geschichte vom Begräbnis unseres Urahnen, der im Jahr 1886 gestorben war. Es gab in Hülzweiler eine große Beerdigung, und auch die Verwandtschaft von Saargau- aus Bedersdorf- war gekommen. Als die Großtante Marie mit einer einspännigen Kutsche an der Kirche vorfuhr, mussten drei kräftige Burschen die Gegenseite abstützen, als sie ausstieg. Das leichte Gefährt wäre sonst umgekippt, denn die Tante war sehr "beleibt". Der Onkel konnte sich noch gut an diese Szene erinnern, denn er hatte von seiner Mutter eine Ohrfeige bekommen, weil er so laut gelacht hatte bei diesem Spektakel, was sich in Anbetracht der traurigen Umstände nicht geziemte.
Auch andere Geschichten von der "dicken Tante" wurden mir vom Onkel erzählt und waren für mich eine unerschöpfliche Quelle der Freude. Die Geschichten aus der Schulzeit mit meinem Vater, sie spielten sich noch vor 1900 ab, waren ebenfalls sehr interessant. So erzählte der vom "alten Lehrer Leonardy", den die Leute in Hülzweiler sehr geschätzt hätten:
Der Lehrer wohnte mit seiner Großfamilie in einem Haus nahe der Schule. Er unterrichtete die Buben in einem großen Schulsaal. Die Kinder saßen in verschiedenen Abteilungen und wurde gleichzeitig beschäftigt. Der Lehrer war natürlich auch Küster und Organist. Wenn dann den kleinen Balgtretern einmal die Luft ausging und sie in ihrem Eifer erlahmtem dann schrie der alte Herr mit lauter Stimme: "Balch, Balch", so dass der alte Pfarrer Flesch am Altar sich manchmal umdrehte und den Kopf schüttelte.
Er muss ein schneidiger Soldat gewesen sein, denn er wurde Meldebursche bei einem höheren Offizier, war ein guter Reiter und diente freiwillig zwei Jahre länger. Seine Garnison, Weißenburg im Elsass, war um das Jahr 1910 Schauplatz eines Kaisermannövers, und als Melder seines Offiziers war mein Onkel in die unmittelbare Nähe des Kaisers gekommen. Immer wieder musste mir mein Onkel vom Kaiser erzählen, und das Bild, das meinen Onkel in der Galauniform zeigt, ist für mich noch immer ein kostbares Andenken an ihn.
Wenn ich ihn aber nach seinen Erlebnissen aus dem Weltkrieg fragte, wurde er immer sehr verschlossen und vertröstete mich auf später, wenn ich alles besser begreifen konnte. Wie mir mein Vater erzählte, war mein Onkel bei Verdun eingesetzt, und er sprach von dieser Zeit nur ungern.
Viel lieber erzählte er mir aus der "guten alten Zeit" wie er mit seinem Großvater, einem wohlhabenden Bauern, zur Mühle in Hülzweiler fuhr oder diesem bei der Feldarbeit zur Hand ging. Viele Geschichten meines Onkels stammten aus den Erzählungen seines Großvaters, der ihm noch aus der Zeit Napoleons berichten konnte, das dieser die bewegten Zeiten von 1813-1815 in guter Erinnerung hatte. Es waren Schauergeschichten von Truppendurchzügen der geschlagenen Armee aus Russland, von Wölfen, die diese Elendszüge begleitet haben. Auch von den Husaren, die durch den Kapellerwald kommend durch Hülzweiler geritten waren und auf dem Sandberg gehalten hatten, um die Festung Saarlouis zu beobachten. Nach dem Hauptheer hätten die Preußen die Stadt links liegen lassen und nur eine Schwadron Russen in den Ensdorfer Wald gelassen, um die Festung zu beobachten. Der Großvater, so mein Onkel, habe ihm schlimme Geschichten von den Russen erzählt, die die Leute im Dorf drangsalien hätten.
Mit l4 Jahren fuhr der Onkel auf der Grube Schwalbach an. Er war sehr fleißig, wurde später Partiemann und Schießmann.
Nach seiner Militärzeit heiratete er die Margarete Schmitt aus Hülzweiler, Aus der Ehe gingen vier Söhne und zwei Töchter hervor. Unter großen Opfern ermöglichte er seinen Kindern eine gute Ausbildung, und sein größter Stolz war, dass sein Sohn Josef, Priester wurde. Onkel Nikl war sehr religiös, und so war es nicht verwunderlich, dass er als politisch interessierter Mann der Zentrumspartei beitrat. Als Redner und Diskussionsteilnehmer war er auf den heimischen Versammlungen bald bekannt, doch er war nicht bereit, ein politisches Mandat anzunehmen. Selbst als man ihm bei den Kreistagswahlen einen sicheren Listenplatz anbot lehnte er ab. Auch für einen Posten im Kirchenvorstand war er nicht zu haben.
Als ich ihn später einmal nach seinen Gründen hierfür fragte, sagte er nur: "Ich war zwar ein guter Redner, manche sagte sogar ein Kanzelredner, doch zum Politiker hätte ich nicht getaugt."
Der Onkel war sehr national gesinnt, doch von den neuen Machthabern nach der Abstimmung 1938 wollte er nichts wissen, zumal er als alter "Zentrumsmann" sowieso "verdächtig" war.
Als sein Sohn im Jahre 1935 zum Priester geweiht werden sollte, war für den Ordenspriester der Weiheakt in Deutschland verboten. So mussten der Onkel und seine Frau nach Nitra in der Slowakei reisen, um der Priesterweihe seines Sohne beizuwohnen. Es war eine beschwerliche und teure Reise, so erzählte er mir, doch nichts auf der Welt hätte ihn aufhalten können, an diesem Tag dabei zu sein. Diese Reise erregte etwas Aufsehen und wurde in der ganzen Gegend zum Gesprächsstoff, sehr zum Ärger der damaligen "Größen".
Nach seiner Pensionierung im Jahr 1933 widmete sich der Onkel der Gartenarbeit und hielt sich im öffentlichen Leben sehr zurück. Aus den Gesprächen mit meinem Vater konnte ich entnehmen, dass er für unser Vaterland von den neuen Machthabem nach der Abstimmung 1935 nicht viel Gutes erwartete. Die Freizeit verbrachte er im Wald und Feld bei der Beerensuche und beim Pilzesmmeln. In jedem Jahr ersteigerte er mit meinem Vater ein Los Holz, das er mit Hingabe bearbeitete. So oft ich konnte, war ich dann dabei, und ich lernte von meinem Vater und dem Onkel mit Axt, Sage, Hebeeisen und Holzkeilen umzugehen. Immer war Zeit dabei, auch ein Gespräch zu führen. Es war eine lehrreiche Zeit.
Jeden Morgen aber begann bei dem Onkel, wie auch bei meinem Vater, der Tag mit dem Besuch der Frühmesse, ob Sommer oder Winter, bei jedem Wetter, dann erst begann das Tagwerk.
Onkel Nikel war für die damalige Zeit sehr belesen, und ich konnte mir schon Bücher und Zeitschriften ausleihen. Ich denke noch oft an den "Hausschatzkalender", eine katholische Zeitschrift, die halbjährlich erschien und von mir immer sehnsüchtig erwartet wurde.
In der Kriegszeit war der Onkel etwas wortkarger geworden. Seine Frau war gestorben, drei Söhne standen im Feld, die Zeiten waren also schwer. Die Evakuierung verbrachte er bei seinem Sohn Josef in dessen Pfarrhaus. Nach dem Krieg half der seinen Kindern und der ganzen Verwandtschaft beim Wiederaufbau ihrer Häuser. Nun nahm er auch wieder die Wanderungen durch Wald und Feld auf.
Als ich aus der Gefangenschaft‚ nach Hause kam, besuchte ich natürlich bald wieder meinen Onkel, und das alte Verhältnis war ungebrochen.
Die Jahre vergingen. Mein Vater, obwohl zwei Jahre jünger als der Onkel, war gestorben; doch er erfreute sich bester Gesundheit.
Am 31. Januar 1979 vollendete er sein 100. Lebensjahr. Das Dankamt in der Pfarrkirche von Hülzweiler zelebrierten sein Sohn und sein Enkel Manfred ( v.d. Patres SVD). Danach wurde im Pfarrsaal mit der ganzen Verwandtschaft gefeiert. Viel Prominenz war gekommen: der Ministerpresident, drei Minister, der Landrat und der Bürgermeister mit dem Ortsvorsteher. Als sich die hohen Gäste nach einer Weile verabschiedeten, sagte einer der Herren scherzhaft: "Also, Herr Wilhelm, bleiben Sie gesund, dann kommen wir im nächsten Jahr wieder".
Der Onkel schaute ihn an und sagte dann ganz gelassen: "Ihr könnt ruhig wiederkommen, wenn Ihr dann noch alle lebt". Es gab ein großes Gelächter, doch einer der Herren ist im gleichen Jahr noch verstorben, viel jünger als der Onkel.
Mit 102 Jahren ist er dann gestorben, geistig noch rüstig, Nur das Augenlicht wollte nicht mehr so richtig.
Kurz vor seinem Tod sagte er einmal zu mir: "Was soll ich den eigentlich noch hier. Mit den Lausbuben von 70-80 ist ja nichts mehr los, und ältere Leute gibt es ja kaum noch."
Mein Onkel ist für mich immer ein Ausnahmemensch gewesen, nicht nur wegen des hohen Alters, das er erreicht hat. Mit meinem Vater zusammen hat er mir viel auf den Lebensweg mitgegeben.
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Amtseid Nikolaus Strass 1894
Text aus Original von oben:
Fraulautern den 29.Dezember 1894
Ich‚Niko1aus Strauß Jungmann zu Hü1zwei1er‚ nachdem ich durch Bestätigung vom 19.9.MT 1.No.A 1680 zum Ortsvorsteher der Gemeinde Hülzweiler ernannt worden bin‚ schwöre zu Gott dem Allmachtigen und A11wissenden‚ seiner Majestat dem König v.Preußen, meinem Ailergnädigsten König und Herrn‚ treu, untertänig und gehorsam zu sein‚ a11e Aufträge meiner vorgesetzten gewissenhaft auszuführen, mein Amt ohne Hass und Furcht nach besten wissen und Gewissen wahrzunehmen‚ auch die Verfassung gewissenhaft zu beachten‚ so wahr mir Gott helfe und sein heiiiges Evange1ium. Amen
V.g.u.
Unterschrift: Niko1aus StrauB—Jungmann
Unterschrift: War1imont(Bürgermeister von Fraulautern)
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Der "Hilten Peter"
Erzählung nach der mündlichen Überlieferung
durch Johann Wilhelm Woll (* 08.01.1881)
Es waren friedvolle Jahre gewesen, die Zeiten nach dem Kriege von 1870/71 bis zum ersten Weltkrieg 1914/18. Höhepunkte im Jahre waren die Kirmes, der “Meertestag (Martini) und im Winter die Theaterabende der Vereine.
Aber auch wenn die “Ziehungsbuben” von Saarlouis von der Musterung nach Hause kamen, ging es hoch her. Dann spielte der “Hilten Peter” beim “Strauß Matz” (Gasthaus) auf seiner Handharmonika zum Tanz auf, und manches Glas wurde auf die “Infanterie” oder die “Artillerie” geleert. Der Winter war eine besinnliche Zeit, und nach der Tagesarbeit saß man mit Freunden und Nachbarn zusammen, und das Gespräch wurde gepflegt.
Der Winter war auch die beste Zeit des “Hilten Peter”. Dieser Dorfschalk und Lebenskünstler verdiente sich seinen Unterhalt durch die Dienste als Rasierer und Haarschneider. Einer geregelten Arbeit ging er tunlichst aus dem Wege.
Der Peter war am 21.l1.1875 geboren worden und lebte mit seiner Mutter, einer Witwe, in einem kleinen Haus nahe der Gastwirtschafi “Strauß Matz” (Strauß Kutscher), wo er auch meist anzutreffen war.
Von diesem “Dorfeulenspiegel” sind zahlreiche Schurren und Geschichten bekannt, die von seiner Schlagfertigkeit und seiner Bauernschläue berichten. Der “Hilten Peter” war von kleiner Gestalt, schwächlich und hatte ein schiefe Schulter; grobe Arbeit konnte er nicht verrichten. In der Schule war er gut gewesen, konnte gut rechnen und lesen. Bevor er als Rasierer und Haarschneider seinen Lebensunterhalt bestritt, verrichtete er kleine Botengänge und Besorgungen. Mit zunehmendem Alter aber trat er immer mehr als “Barbier von Hülzweiler” auf und war ob seiner Sprüche und seiner Schlagfertigkeit gerne gesehen.
Als Junggeselle hatte er immer viel Zeit, und er fühlte sich stehts dem Jahrgang zugehörig, der gerade zur Ziehung zum Militär anstand. Dieser Jahrgang war immer freigiebig und lustig, was der Lebensauffassung des “Hilten Peter” entgegenkam. Er spielte an den “Ziehungsabenden” die Handharmonika und wurde dann natürlich völlig freigehalten, was Essen und Trinken anging.
Eine besondere Spezialität des Peter war es, in jedem Jahr einmal eine Verlosung abzuhalten. Er kaufte eine Handharmonika oder "etwas ähnliches im Wert von fünf Mark, fertige selber Lose an und verkaufte diese im Ort. Am Sonntagabend fand dann unter großer Gaudi die Verlosung beim “Strauß Matz” statt. Man erzählte sich aber, dass zumeist nur seine “Freunde” das “Große Los” gezogen hatten. So beklagte sich einmal seine “Good” ( = Patin), dass noch nie einer ihrer Buben den Preis gewonnen habe, obwohl sie jedes Mal ein Los gekauft hätte.
Als der nächste Verlosungstermin anstand, kaufte die “Good” natürlich wieder ein Los. Am Verlosungssonntag klopfte es spät abends am Fenster der “Good”. Auf Frage wer da sei, hörte sie: “Ich bin’ s, der Peter. Ich will Dir nur sagen, Dein Johann hat die Harmonika gewonnen”.
Für die damaligen Verhältnisse war der “Hilten Peter” schon belesen. Die Tageszeitung, die seine Mutter austrug, es waren recht wenige Exemplare, las er immer aufmerksam, und wenn er nach Saarlouis kam, besorgte er sich alte überregionale Zeitungen und auch alte, zerrissene Bücher. Er war ein ausgezeichneter Schachspieler und spielte in den Gasthäusern gerne um eine Runde Bier, die er meistens auch gewann. So erzählte man sich, dass er den Kassenrendant Hoff ab und zu gewinnen ließ, weil der dann recht großzügig war, denn gegen den “Hilten Peter” im Schach zu gewinnen war eine Leistung. Dann gab es für den Peter eine gute Zigarre und auch für den Durst war gesorgt.
Er war vielen Dingen seiner Zeit voraus. So kam es dann, dass am “Fassendsonntag” (Fastnacht) der Peter beim “Strauß Matz” mit einer Pappkrone, einer Halskrause und einem Zepter erschien und erklärte, er sei “Prinz Karneval der Erste” von Hülzweiler. Es war die Zeit, als man in den Dörfern erstmals von den großen Bällen in Köln und im Rheinland hörte. Die Gaudi war riesengroß, die Stimmung im Saal und in der Gastwirtschaft geriet aus dem Häuschen. Der Peter wurde gefeiert und entsprechend mit dem nötigen Getränk versorgt. Obwohl gut gestählt von den vielen Bierabenden, erlag Peter gegen Mitternacht dem Alkohol und sank neben dem großen Bullerofen im Saal in einen tiefen Schlaf.
Nun ging es erst richtig los. Die Burschen trugen den Peter auf einer Tischplatte aus dem Saal, zündeten Kerzen an und transportierten ihn nach Hause. Sie legten ihn auf den Boden in der Küche. Später erzählte der “Hilten Peter” er habe geglaubt, als er aufwachte und zwischen den Kerzen lag, er sei gestorben. Das Spektakel machte seine Runde und tat der Popularität des Peter aber keinen Abbruch.
Nach dem Tode seiner Mutter lebte der Peter allein in seinem Haus. Abends las er beim Schein der Petroleumlampe, wenn er nicht "zufällig" einmal im Wirtshaus war. Am liebsten aber las er sogenannte “Räuberpistolen”, die er dann gerne weitererzählte. Er konnte spannende Geschichten bringen, aber oft erzählte er sie so realistisch, dass er sich spät in der Nacht nicht alleine nach Hause traute und einer seiner Freunde bei ihm übernachten musste. Dann zündete er die Lampe an und ließ sie die ganze Nacht brennen. Tags darauf war alles vergessen, und das große Wort wurde weiter geführt.
Geldsorgen hatte der Peter immer. Nur im Jahre 1906 kam er zu einem größeren Betrag. Es hatte bei ihm gebrannt, und der Peter war schon versichert. Es war kein großer Schaden, aber ein bisschen Geld sprang schon heraus. Es wurde aber gemunkelt, dass der Peter am Brandtag von der Gastwiitschaft “Strauß Matz” aus auffällig oft zum Fenster geblickt habe, von dem aus er sein Häuschen gut sehen konnte. Doch niemand nahm Anstoß, und der “Hilten Peter” war eine Weile saniert.
Die Geschichte mit dem Kassierer der Bauerei sorgt auch für Gesprächsstoff und gab Anlass zum Schmunzeln. Früher kamenn noch die Kassierer der Brauereien zum Wirt, um das “Biergeld” zu kassieren. Die “Eingeweihten” wussten um diesen Termin immer, denn der Kassierer gab immer einige Freibier aus, was natürlich gut ankam. Zu den “Eingeweihten” gehörte selbstverständlich auch der Peter. Doch zu seinem Leidwesen kam der Kassierer immer mit einer großen Dogge in das Wirtshaus, und der Peter hatte panische Angst vor großen Hunden. So kam es dann eines Tages zur großen Explosion:
Wieder eimnal War der Kassierer beim Strauß Matz erschienen, die “Freibiertrinker” standen bereit, und der Kassierer saß in der Prominentenecke , den Hund an der Leine, die er um das Handgelenk gewickelt hatte. Das Fenster war offen, und unbemerkt ließ der Peter einen “Donnerschlag” mit glimmender Schnur neben dem Hund nieder. Dann erst betrat er scheinheilig grüßend die Gaststätte. Am Tresen angelangt gab es urplötzlich einen furchtbaren Knall unter dem Tisch der Honoratioren, und eine Stichflamme schlug hoch. Der große Hund sprang jaulend auf und schleifte seinen Herrn, den Bierkassierer, durch die Gaststube, riss sich los und sprang durch das Fenster auf die Straße. Niemand hatte bemerkt, dass der Peter die “Bombe” gelegt hatte. Ein großes Rätselraten begann - was war passiert? Erst viel später kam man dahinter. Der “Hilten-Peter” konnte so ganz sein Mundwerk nicht halten. Vom Hund des Kassierers aber ging die Geschichte um, dass er nicht mehr zu bewegen war, in eine Wirtschaft mitzugehen.
Auch politisch hatte der Peter seine besonderen Ansichten. Er war sehr fieiheitlich gesinnt‚ und er erzählte seinen staunenden Zuhörern schon von Garibaldi, dem italienischen Freiheitskämpfer, und von Gambetta, dem französischen Scharfmacher im Nachbarland.
Er war aber von ängstlicher Natur, und als im Jahre 1902 der Mord an einem Mädchen am Wege nach Schwarzenholz geschah, war er tagelang nicht zu bewegen, abends aus dem Haus zu gehen, obwohl Kriminalgeschichten seine Lieblingslektüre waren.
Auch an den Kirmestagen war Peter in Hochform und spielte dann auf der Harmonika beim “Strauß Matz” oder in der “Hild” beim Kutscher (Gastwirtschaft). In einem richtigen Orchester konnte man ihn nicht gebrauchen, denn er kannte keine Noten, hatte sich das Spielen selber beigebracht. Bei Hochzeiten war er auch gerne gesehen. Sein Witz und sein Spiel brachte Stimmung und der “Hilten Peter” hatte für eine Woche ausgesorgt.
So schlug er sich recht und schlecht durchs Leben. Mit fünfzig ist er an Lungenentzündung gestorben. Er hatte eine Beerdigung wie eine wichtige Persönlichkeit, die er ja vielleicht auch war.
Foto: Aus der Sammlung von Peter Strumpler
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Heimatglocken
Mein Saarland
Heimat, tief im Herzensgrunde,
grub ich ein dein süßes Bild;
Überall, zu jeder Stunde
Dir mein heißes Sehnen gilt:
Wo die Saar mit Heldensagen
schmückte meiner Kindheit Welt,
und in frohen Jugendtagen;
Tatenluft die Brust geschwellt;
Wo des Waldes heimlich Rauschen
mischt sich in der Vögel sang,
Und die Blümlein zwiesprach tauschen
mit dem Wind am Bergeshang;
Wo der Kohle Schätze funkeln
Demantgleich im tiefen Schacht,
und am Himmel glänzt, dem dukeln,
ferner Gluten rote Pracht.
Saarland, das ich lieb' vor allen
Ländern auf der weiten Welt,
kein's wie du kann mir gefallen,
Land, daas deutsche Treue hält.
Winken draußen Blumenkränze,
ludt der Freundschaft süßes Glück,
mitten in dem fremden Lenze
Sehn' ich mich nach dir zurück.
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Die "Drei Marien"
Die Drei Marien von Hülzweiler und ihre Beziehung zu der
„Dreifrauenverehrung“ des Mittelalters und der Neuzeit
von Otto Wilhelm
Man ist oft geneigt zu glauben, dass die Geschichte, die Sagen, Legenden und Mythen allein durch das Wirken von Männern geprägt wurden, während die Frauen nur das häusliche Umfeld als Eigenbereich hatten. Dies entspricht jedoch in keiner Weise der wirklichen Bedeutung der Frauen im menschlichen Leben, auch nicht im Bereich von Volkskunde, Sagen und Mythen. Es bietet uns die kultische Tradition des Mittelalters im Hinblick auf die Dreifrauenverehrung z.B. eine Fülle Material im Bezug auf die Bedeutung dieses Kultes. Man irrt, wenn man glaubt, die Menschen bewege nur die Vergangenheit. Bedenkt man aber, dass schon der Enkel heute nicht mehr die Ereignisse aus dem Leben des Großvaters kennt, so begreift man schnell die Vergangenheit als Mythos oder Legende. So kann man also suchen, was verloren ging und neu entdecken, was vergangen ist.
In Hülzweiler ist jedenfalls deutlich zu erkennen, dass sich Sagen, Legenden und Mythen, auch die reale Forschung mit der Verehrung der „Drei Frauen“ und ihrem Bild in der alten Laurentiuskapelle eingehend befassen. So ist auch leicht ein Bezug zu der „Dreifrauenverehrung“ des Mittelalters und der Neuzeit herzustellen, denn Kunstwerke bewahren bekanntlich in besonderer Weise die Erinnerung an kultische Traditionen. Die lokale Bedeutung dieser Verehrung gibt uns reichlich Gelegenheit, sich mit Brauchtum, allgemeiner Volkskunde und Legenden zu befassen.
So erkennen wir bald in den „Drei Bethen“ dreigestaltige Göttinnen, die vielleicht älter als keltische und germanische Frauenbilder sind. „Drei Bethen“ als eine Verkörperung des sich ständig erneuernden Lebens, als Sonnen— Mond- und Erdmutter in der Tradition der großen Göttinnen haben indoeuropäische Wurzeln.
So jedenfalls interpretiert Hans Christoph Schöll die „Drei Frauen" in seinem 1934 erschienenen Buch „Die Drei Ewigen“. Andere Volkskundler und Sagenforscher gehen davon aus, dass der Kult der „Drei Frauen“ erst später, im Mittelalter seinen Anfang nahm. Anerkennt man aber ihre vorchristliche Herkunft, so sah man sie früher als Muttergottheiten der Fruchtbarkeit, der Schwangerschaft und der Geburt. Nun bietet aber die Betrachtung der feministischen Vorgeschichte, die Matriarchatforschung, eine Vielfalt von Wahrnehmungen, Vermutungen und Zusammenhänge, da im „Gewand“ christlicher Jungfrauen und Heiligen dreigestaltige uralte Themen übernommen wurden. Dies geschah so im gesamten mitteleuropäischen Kulturraum. Viele Jahrhunderte gab es keine schriftlichen Zeugnisse dieses Kultes. Legenden und die mündliche Überlieferung hielten jedoch die Erinnerung erstaunlicherweise fest. Im 11. Jh. kehrten die „Drei Frauen“ allmählich wieder in das Bewusstsein der Menschen zurück, eroberten sich Plätze, Quellen und bald auch Kapellen und Altäre. Zahlreiche „Dreifrauensagen" aus dem süddeutschen Raum und dem Rheinland weisen nun auf eine immer mehr zunehmende Verehrung der „Drei“ hin, auf die „Schutzfrauen", wie man sie auch nannte, die „Drei Bethen".
Die Jahrhunderte dauernde, oft leidvolle Geschichte der Frauen im herrschenden Patriarchat ist ein gern verschwiegenes Kapitel. Ganz gleich unter welchem Namen die „Drei Frauen" auftraten, sie waren ein Widerspruch zu dem Frauenbild der Kirchen und der herrschenden Obrigkeit. Doch die Verehrung der „Drei“ nahm stetig zu und ihre Popularität hatte im 16. Jh. einen wahren Schub erlebt. Gerade diese Tatsache hat mich als Einheimischen (von Hülzweiler) ermutigt, die „Drei Marien“ in der Kapelle von Hülzweiler in diese Betrachtungen mit einzubeziehen. Denn eben zu dieser Zeit wird das Bildnis der „Drei" urkundlich gesichert erstmalig genannt.
Im Mitteilungsblatt „Unsere Heimat" Nr. 2004 bin ich bereits auf das Thema eingegangen, jedoch ohne größere Zusammenhänge und Möglichkeiten zur untersuchen oder Verbindungen herzustellen.
Die christliche Dreiergruppe der „Heiligen Wilbeth, Einbeth und Worbeth" nennt man die „Drei Bethen“ und schließt auf die vorchristliche Existenz namensgleicher Göttinnen als Vorbilder hin. Vom 12. Jh. an werden diese Heiligen in den verschiedensten Variationen namentlich genannt. Die gebräuchlichste Schreibweise war die vorgenannte Art. In seinem Buch „Die Drei Ewigen" bietet uns Hans Christoph Schöll folgende Versionen:
Ambeth, Apetha, Embeth, Aubeth
Warbeth, Gwerbeth, Worbeth
Vifilbeth, Willebeth, Cubet, Fuerbeth.
Die bis heute andauernde Verehrung dieser Hl. Jungfrauen erlebt man in Kirchen und Kapellen von Südtirol, dem Elsass und im süddeutschen Raum. Von der Amtskirche aber werden diese „Drei“ nicht in den offiziellen Heiligenlegenden aufgeführt. Ihre Namen kennt man da nicht.
Eine sehr frühe Erwähnung der „Drei Marien" von Hülzweiler entdecken wir im Visitationsbericht vom 16.10.1618. Hier lesen wir: „ln Hülzweiler steht auch eine freie Kapelle, die den drei Jungfrauen Maria Magdalena, Maria Jacobe und Salome geweiht ist“. Viel früher schon schreibt der Jesuit Christoph Bouwer von den drei Frauen aus Hülzweiler in seinem Werk „Die Geschichte des Erzbistums Trier". Hier heißt es „Denique juxta Frauemlautern fons est tribus Mariis sacre, ubi variis offlicti morbis leventur curranturque insacello sanitas anathemala et gravitarium dona telunquent". („Und schließlich befindet sich — nahe Fraulautern — ein den drei Marien geheiligter Born, wo (in dem) Menschen, die von verschiedenen Krankheiten heimgesucht worden sind, Erleichterungen verschafft und Heilung zuteil wird, die dann in einer nahe gelegenen Kapelle Weihegaben (Votiv) für ihre Gesundung und Geschenke der Dankbarkeit hinterlassen"). Nun ist der Jesuit Christoph Brouwer kein unbedeutender Kleriker, der zufällig über dieses Thema schreibt, sondern ein hochgeschätzter Historiker seiner Zeit. Geboren am 12.03.1559 in Arnheim (Geldern) trat er 1580 in die Gesellschaft Jesu ein und studierte Philosophie und Kirchengeschichte. Er wurde Rektor in Fulda und später in Trier, wo er von 1601 bis 1613 wirkte. Brouwer war in seiner Zeit einer der bedeutendsten Historiker des Erzbistums und darüber hinaus, und er wurde bekannt durch seine annalistisch—chronoIogische Darstellung des Erzbistums Trier in 2 Bänden. (Antiquitatum et Annalium Trevensium LibriXXX V.P. Christophoro Browero.GeIdro.) Brouwer ist am 02.06.1617 in Trier gestorben. Sein Werk und anderes Schriftgut (über den Heiligen Rock in Trier) wurde später von Jacobo Maseno erweitert und neu ausgestattet und dem Erzbischof Caspar von der Leyen gewidmet.
Leider haben die Heimatforscher früherer Zeiten sich nicht mit Christoph Brouwer beschäftigt, wenn es um diesen doch so wichtigen Abschnitt in dessen Werk ging, oder sollten sie diesen gravierenden Hinweis nicht gekannt haben? Wenn man nämlich bedenkt, dass Brouwer sein Buch schon vor dem Beginn des 30jährigen Krieges verfasst hat, so bieten sich für die Altersbestimmung der Kapelle und des Bildes der Drei Marien neue Erkenntnisse an. Es drängt sich auch die Vermutung auf, dass die Bittgänge zur Kapelle, die schon im Weistum von Hülzweiler 1513 beschrieben werden, auch den „Drei Frauen“ in der Kapelle galten. Professor Walter Zimmermann schreibt in seinem Buch „Die Kupstdenkmäler der Kreise Ottweiler und Saarlouis“ 1934: „Mitte des 15. Jh. wurde für Hülzweiler die Schreibweise "Jungfrauensaarwilre" und "Jungfernwilre" verwandt.“ Auch hier finden wir einen konkreten Beweis für die uralte Verehrung der "Drei Frauen von Hülzweiler". Auch die kleinen Weiher, die nahe der Kapelle liegen, nannte man „Jungfernsprung“, „Jungfernborn“ und „KlingeIborn“. Eine auffällige „Dreiheit“ im Bezug zur Dreifrauenverehrung könnte leicht hergestellt werden. Über Bittfahrten zur Kapelle erfahren wir schon Genaues im Weistum von Hülzweiler 1513. Bittgänge zu dieser Zeit bezeichnet Hans Christoph Schöll als „heilige Tage“, als „Tage der Bethen", als „Bettage“. Aus dem badischen Raum wird von sogenannten „Betheltänzen" berichtet, deren Auswüchse zu einem herzoglichen Verbot im Jahre 1626 führte. Hier ergibt sich auch eine Parallele zu Hülzweiler, denn an den Bettagen wurde an der Kapelle „gespielt und getanzt“, Wein getrunken und gerauft, so dass der Graf von Saarbrücken endlich Bestimmungen für diese Tage erließ und mit „bewehrter Hand“ die Aufsicht übernahm. (s. Grimm 1513) Bis heute ist es Sitte in Hülzweiler, dass die Kirmes als Nachfolger dieser Bitttage zu Laurentius ausgiebig gefeiert wird mit besonderen Bräuchen und Ritualen, die es nur in Hülzweiler gibt. Selbst die unmittelbare Nachbarschaft von Hülzweiler ist bei der Verehrung der „Drei Frauen“ in der Kapelle nicht auszuschließen, denn in einem Akt der reformierten Kirchengemeinde Saarwellingen lesen wir aus dem Jahre 1611, dass die „Heiligen“ aus Hülzweiler aus dem Papsttum am Blasiustag (25.04.) nach Saarwellingen mit Fahnen kommen und an die Kirchentüren klopfen, um die Bewohner am „Festhalten“ im alten Glauben (dem katholischen) zu bestärken. Saarwellingen und Schwarzenholz waren zu dieser Zeit evangelisch geworden. Wen meinte man aber in diesem Bericht mit den „Heiligen“ aus Hülzweiler? Ganz sicher nicht die Einwohner unseres Dorfes, die nach Saarwellingen kamen, sondern die „Drei Marien“ in der Kapelle, von wo aus die Bittfahrt nach Saarwellingen ihren Anfang nahm. In einem Visitationsbericht von 1739 heißt es: „Es ist eine Kapelle im Ort (Hülzweiler) zu Ehren Marias, die mit Spezereien zum Grabe Christi eilen.“ In einem zweiten Visitationsbericht vom 22.08.1760 heißt es: „In Hülzweiler ist eine Kapelle, die den Drei Marien geweiht ist." Hier wird deutlich auf die große Verehrung der „Drei“ hingewiesen, auf die Myrrophoren der christlichen Ikonographie. Wenn wir diese schriftlichen Quellen nutzen, so erkennt man durchaus christliche Intentionen, die jedoch alte Vorbilder und Zusammenhänge nicht ausschließen. Wenn im Herbst die alten Hagebuttensträucher um die Kapelle ihre Früchte abwarfen und die feinen Gespinste der Heckenfrüchte wie Schleier die Äste bedeckten, sprachen die Alten in Hülzweiler von den „Jungfrauhärchen" an der Kapellenhecke.
Nach 1618, parallel zu der immer stärker werdenden Verehrung der „Drei Frauen“ allgemein, tritt die Gestalt des Hl. Laurentius in der Kapelle von Hülzweiler immer mehr in den Hintergrund. Die Berichte und Erzählungen befassen sich nur noch mit dem Bildnis der „Drei Marien“ in der Kapelle. So kehren wir wieder zu den vorgenannten „Drei Bethen“ zurück, die man auch die „Drei Jungfrauen“ nannte und auf sonst unbekannte germanisch-heidnische Göttinnen zurückführte. Ihre Namen in der Urform Ambeth, Wilbeth und Borbeth führt H.Chr. Schöll aufgrund lautlicher Ähnlichkeit auf keltische Wurzeln zurück. Alle drei sind ursprünglich bäuerliche Göttinnen der Fruchtbarkeit und Nothelferinnen bei Unglücksfällen. Das Wissen um die „Drei“ war in allen Jahrhunderten im Volksglauben verankert. Im 11. Jh. werden die „Drei Bethen“ im Siegel des Erzbischofs Pilgrim von Köln dargestellt und in „Spes, Fides und Caritas“ umgetauft. Den Menschen wurde nun mit Nachdruck vermittelt, dass die hilfreichen Jungfrauen nun doch christliche Namen tragen. In vielen Gegenden hatte dies einen langwierigen Prozess zufolge, denn die Menschen verhielten sich recht eigensinnig und tauften die Jungfrauen nun in ihnen selbst genehme Namen um. So kam es bald in vielen Bereichen zu der Verehrung der Hl. Katharina, Barbara und Margareta. Vor allem im Raum Trier wurde dies sichtbar. In den offiziellen Heiligenlegenden werden diese Frauen gerne als Idealbild der christlichen Mütter dargestellt, doch blickt man auf ihre Attribute, so erkennt man durchaus starke selbstbewusste Frauen, die ihren eigenen Weg gingen. In Hülzweiler ist die Verehrung von Margareta, Katharina und vor allem von Barbara uralte Tradition. Ihre Namenstage wurden immer besonders gefeiert. Vor allem die Hl. Barbara genoss im Ort die höchste Verehrung. Sie war die Schutzpatronin der Bergleute im Ort, die den größten Anteil der arbeitenden Bevölkerung ausmachten. Als die letzte Pfarrkirche gebaut wurde, stellte man in den Hauptturm eine Statue der Heiligen, die ein einheimischer Künstler geschaffen hatte. Eine Bergmannsfrau aus dem Ort widmete der Heiligen folgendes Gedicht:
St. Barbara, Schutzpatronin der Bergleute
In Stadt und Land ist sie bekannt
der Jungfrau Name wird genannt
St. Barbara.
Sie ist seit vielen Jahren schon
des Bergmanns guter Schutzpatron
St. Barbara.
Man fleht zu ihr bei Tag und Nacht
hilf uns‘ren Männern im tiefen Schacht
St. Barbara.Voll Liebe mag man zur Jungfrau schau‘n
sie gibt uns Kraft und auch Vertrau‘n
St. Barbara.
Hat sie ein Flehen nicht erhört
o hat der Herr es ihr verwehrt
und hat gesagt, die Zeit war da
St. Barbara.
Dieses bescheidene Gedicht gibt in eindrucksvoller Weise die tiefe Verbundenheit der Bevölkerung zu der alten traditionellen Verehrung der Heiligen ihren Ausdruck. Die erfolgreiche Umwandlung der alten Namen in Fides, Spes und Caritas (Glaube, Hoffnung, Liebe) wird schon um 1650 durch verschiedene Visitationberichte belegt und fand alsbald auch eine allgemeine Verbreitung. So entdeckt man dort, wo diese „Drei“ als Fides, Spes und Caritas verehrt wurden, oft Spuren eines vorchristlichen „Matronenkultes“. In zahlreichen Fällen wurden auf alten Kultplätzen Kapellen und Kirchen gebaut. Auch in Hülzweiler ist ein solche Möglichkeit nicht auszuschließen. Nahe der Kapelle sind Funde aus der Kelten- und Römerzeit bekannt. Prof. F. Schröter und Dr. Hermann Maisant berichten in ihren Ausarbeitungen hierüber und Claus Schmauch, einst Lehrer in Hülzweiler, später Dozent für Volkskunde in Saarbrücken, schreibt über diese Entdeckungen. Ebenso weisen alte Rituale an der Kapelle auf diese Erkenntnisse hin, denn die Bräuche der Kräutersegnungen und Wasserspenden an der Kapelle zeigen eindeutig auf Riten der „Dreifrauenlegenden“. In Hülzweiler war es bis vor dem letzten Krieg Brauch, im Frühsommer eine Kranzsegnung vorzunehmen. Die Kränze aus Feldblumen wurden ausschließlich von Frauen und Mädchen gebunden. In einer abendlichen Andacht wurden die Kränze und auch Kräuter von Kindern in einem Kreis (!) um den Altar getragen und vom Pfarrer gesegnet. Der Kranz bekam einen Ehrenplatz im Hause, der schönste Kranz wurde in der Kapelle am Altargitter befestigt. Der Kräuterstrauß, den man in Hülzweiler den „Wisch“ nannte, fand seinen Platz im Stall oder der Scheune.
Als in Hülzweiler im 19. Jh. der Typhus wütete, veranlasste der Pfarrer eine dreitägige Bittfahrt zur Kapelle und ließ Wasser der Quelle an die Leute verteilen. Bis vor wenigen Jahren waren diese Bittgänge aus verschiedenen Anlässen Tradition, jedoch ohne die rituellen Wasserspenden. Ebenso wurde bis in die jüngste Zeit Blumen an de Quelle neben der Kapelle niedergelegt. Dieses sind alles deutliche Zeichen, wie tief der Kräuter— und Wasserkult im Volksglauben verwurzelt war und die Kirche war klug genug, dieses im „Guten" zu übernehmen.
Schon bald nach dem 30jährigen Krieg hatten sich die Äbtissinnen der Verehrung der „Drei Frauen“ in der Kapelle angenommen und förderten die Bittfahrten und Andachten dort. Der Hl. Laurentius, der eigentliche Patron der Kapelle, trat immer mehr in den Hintergrund. Im Jahre 1747 verfügte das Kloster Fraulautern, dass der jährliche Laurentiusmarkt (10. August) in die Mitte des Dorfes verlegt wurde und ein Viehmarkt an Stelle des „Weinauftuns“ an der Kapelle eingerichtet wurde. Die Bittgänge zur Kapelle wurden ein rein kirchliche Angelegenheit, wurden losgelöst von den weltlichen Begleiterscheinungen des Marktes.
Mit dem Ausbruch der Franz. Revolution 1789 begann für Hülzweiler eine völlig neue Zeit. Die Nonnen aus Fraulautern, die 600 Jahre ihre Herrschaft über Hülzweiler (und darüber hinaus) ausübten, mussten fliehen, die Leibeigenschaft hatte ‚ein Ende. Es folgte eine Zeit der Kirchenverfolgung und der Versuch einer völligen Entchristianisierung der ländlichen Bevölkerung unserer Heimat. Doch in Hülzweiler blieb man fest im Glauben und auch der amtierende Pfarrer hielt sich nicht an den erzwungenen Eid. Er zelebrierte heimliche Messen in der Kapelle und taufte Kinder dort. Letztendlich musste er fliehen, vor allem, weil die heimlichen Bittfahrten zu den „Drei Frauen“ nicht in das Konzept der Franz. Revolutionäre von Saarlouis passten. Selbst Frauen aus den Nachbardörfern‚ die noch nicht in dem Bereich der Revolution existierten, kamen nach Hülzweiler zur Kapelle. Die „Drei Marien" wurden immer mehr zu den alten Schutzfrauen und hatten an Anziehungskraft gewonnen. Die mündliche Überlieferung erzählt, dass man das alte Bild eine Zeitlang versteckt hielt, doch gesicherte Belege hierfür sind nicht bekannt geworden.
Nach dem Ende der Revolutionszelt und auch der Ära Napoleons erlebte unser Ort ein wahres Aufblühen im religiösen Sinne. Es erfolgten Wiedergründungen von Bruderschaften und vor allem auch die Gründung einer Frauenvereinigung, der „Jungfrauencongregation“, die ihren Verehrungsort in der Kapelle bei den „Drei Frauen“ hatte. Seit diesen Tagen gibt es in Hülzweiler im Monat Mai die täglichen Bittgänge der Frauen von Hülzweiler zur Kapelle, die Jahrhunderte überdauerten, und bis in die jüngste Zeit Sitte waren. Bei den Männern etablierte sich bald eine „Barbarabruderschaft“, die hauptsächlich durch die Bergleute ihren Zulauf hatte. lm Jahre 1856 brachte der Pfarrer von Lisdorf, Johann Anton Hansen, ein eigenes Gebetbuch für die Bruderschaft heraus, das auch in Hülzweiler großen Anklang fand. Es stellt sich jetzt die Frage, ob ein Bildwerk durch seine Ausstrahlung, wie in unserem Falle das Bild der „Drei Frauen", eine unmittelbare Wirkung auf die Menschen hatte.
Wozu brauchte man bildhafte Darstellungen? Bilder haben im Allgemeinen eine besondere Suggestivkraft, sie rühren an, beflügeln auch durch Vorstellungsvermögen, weisen so auf mythologische Themen hin. Geschichtliche Kenntnisse wurden auch zuerst durch bildhafte Formen vermittelt. Sie erreichten Menschen mit herkömmlicher Bildung viel eher als die schriftlichen Formen der „lateinischen" Kirche. Sie berührten das ganze Volk. Sobald es den Leuten wirtschaftlich „besser“ ging und man Bücher erwerben konnte, gab es bald in jedem zweiten, dritten Haus eine „Heiligenlegende“, die als kostbares Gut gepflegt und vererbt wurde. So erlebt auch derjenige, der ein altes Gebetbuch dieser Zeit in Händen hält, dass nach jeder dritten Seite (oder noch eher) Bilder mit tief religiösen Motiven eingelegt sind. Bilder erreichen den Menschen leicht und so war das Bild der „Drei Marien“ immer ein Gegenstand der Rückerinnerung und des religiösen Empfindens, verbunden mit Ritualen und weckte in hohem Maße die Vorstellungskraft, wobei seine doch immer noch ungeklärte Herkunft eine nicht unerhebliche Rolle spielte. Mehr als die Legende des Hl. Laurentius, des Kirchenpatrons, der auch der Kapelle ihren Namen gab, hat das alte Bild der „Drei“ und der Ort seiner Verehrung unser Dorf mitgeprägt. Die „Drei Frauen“ haben ‚die Menschen nie ganz losgelassen und erreichten in Notzeiten wahre Höhepunkte ihrer Verehrung.
Sagen und Legenden verklären das Bild und wenn früher die „Alten“ von drei „weißen“ Frauen“ erzählten, die nächtens wie Nebelschwaden und Windhauch sich an der Kapelle zeigen, wurde andächtig gelauscht, auch noch in „aufgeklärten“ Zeiten. Legenden und Mythen haben sich lange mit dem Bildwerk beschäftigt und die verschiedensten Versionen hervor gebracht. Man hat kaum eine Möglichkeit ausgelassen, seine Historie zu deuten oder gar seinen „Schöpfer“ zu suchen. Gerade diese unterschiedlichsten Interpretationen haben die geheimnisvolle Herkunft noch bestätigt.
Auf eine Besonderheit hinsichtlich der Legendenbildung soll noch hingewiesen werden. Vor dem letzten Krieg (1939-45) machte die Prophezeiung von den „drei dunklen Tagen“ die Runde, die auch vor dem l. Weltkrieg 1914-18 die Menschen bewegte. „Es kommen drei dunkle Tage mit Feuer und Sturmesbrausen und niemand soll sich aus dem Haus wagen. Nach drei Tagen möge man sich zu einer Bittandacht zur Kapelle begeben und Dank sagen." Niemand konnte so recht sagen, warum, wieso dies geschehen soll und wie die möglichen Drangsale aussehen. Später erklärten die Leute, es sei ein Hinweis auf die Schreckenstage des Luftkrieges gewesen, der auch unseren Ort getroffen hatte.
Die Antwort auf die Frage, ob das Bild der „Drei Frauen" eine Herkunft im Sinne christlich geprägter Form hat oder mehr keltisch-germanische Spuren aufweist, ist nur von peripherer Bedeutung. Wichtiger ist es, dass unser Bild bis in die jüngste Zeit Gegenstand von Verehrung in christlicher Tradition geworden ist, auch die Hinwendung zur Verehrung der Gottesmutter ist eindeutig. Bildhafte Erinnerungen bilden eine glaubhafte Aussage im Rahmen der älteren Historiegraphie, denn im abendländischen Bereich der Christenheit war die Hagiographie die am meisten verbreitete Form der geschichtlichen Linie.
Ob der Versuch gelungen ist, die „Drei Frauen“ in die Nähe des alten „Dreifrauenkultes“ zu rücken, mag zutreffen oder zweifelhaft bleiben. Jedenfalls hat das Bildwerk in der Kapelle Jahrhunderte lang die kulturelle und religiöse Tradition geprägt. Warum sollte die Kapelle nicht an einem Ort entstanden sein, wo einst unsere Vorfahren ihre kultische Tätigkeit ausübten, gerade weil dort im Wandel der Zeit ein unerschütterlicher Hort des Glaubens entstand. Franz J. Schmale schreibt in seinem Buch „Funktionen und Formen mittelalterlicher Geschichtsschreibung":
...erhebliche Teile der modernen Geschichtswissenschaften sind in strengem Sinne gar nicht wissenschaftlich, sondern beruhen auf dem „Glauben d.h. dem Vertrauen, dass der Autor die Wahrheit gesagt hat“.
Dem ist kaum etwas hinzuzufügen. Das Wichtigste ist die Erhaltung der Tradition in einfachem volksnahem Sinne, in Form von Sagen, Legenden und Mythen im angestammten christlichen Glauben.

Urkunde aus dem Jahre 1500
über die Schenkung des Henrich von Rulingen,
Herr zu Siebenborn und Dagstuhl der "Drey Maryen Cappel“ zu Hülzweiler.
(Abschrift aus der Schwalbacher Monatschronik, Ausgabe 12. November 1983, eingesandt von Ferd. Müller, Schwalbach).
Ich Henrich von Rulingen, Herr zu Siebenborn und zu Dagstuhl bekennen mich Inkraft dieser Schrift vor mich und mein Erben, dass ich warlich underricht bin so vor ein Cappel zu Höltzweiler genannt da „in die Drey Maryen“, Vorstand mit samt eines Bornes, genannt der Heiligborn, inwilligen obgenannten Drei Maryen und Bornen alles fromm Vorbringen brßthaftiger Leut mit Fromm Opfer, Almosen und andächtigem Gebet in Hoffnung von Gott dem Herrn und durch Vorbettung (Fürbitten) genannter Drei Marien Gesundheit zu empfangen! Dir Bitt fort lassen sind die selb Capell mitsamt des heiligen Borns uff mein Eigen Schafftgut stellt. Als nun mein Voreltern selliger Gedächtnis in der Zeit ihres Lebens desselben Schaftguts Herrn sind gewest/allen Opfer und Almosen das fur den obgenannten Drei Marien Heiligen Borns kommt oder kommen mocht, wenig oder viel, verwilligt und gegönnt hand gehabt in der Bruderschafft Sankt Lorenzy in der Pfarrkirch zu Willer zu zustellen und da ferner mit den inkommnenden Opfern und Almosen ein Ewig-Wochen-Meß zu stifften Gott dem Herrn zu Lob und Ehren, Maria seiner lieben Mutter und allen Gottes Heiligen auch in Ehr der gemeldeten Drei Marien und zu Trost und Heil meiner Voreltern seligen Gedechtnis Ihre allen durch die dann soll ihr obgenannte Wochen-Meß gestifft und anbracht ist und zur Bestätigung und Bewahrung der obgenannten Stifft Bewilligtuig und Genügen han meine Voreltern ihr Brief und Siegel in der Zeit ihres Lebens darüber der genannten St.—Lorenzy—Bruderschaft und der genannten Gemeinde gegeben, dieselbigen Brief und Siegel durch Unfall des Feuers als die Kirch mit viel des Dorfes verbrannt worden auch verbrannt sind, auf dahs nun mit meiner Voreltern seligen Gedächtnis Gabe Bewilligung Bestand habe und der göttliche Dienst der obgenannten Wochen-Messe nit abgestellt noch gemindert werde, han ich Henrich von Rullingen obgenannt als rechter Erb-Herr des genannten Schaff-Gutes vor mich und meine Erben durch besonderliche und ernstliche Art der ganzen Gemeinde der obgenannten meiner Vor-Eltern Bewilligung und Gering bestätigt und bestätigen auch in Krafft dieses Briefs und will das alle Opfer und Almosen dieses Jahres kommend und fallend in der gemeldeten St. Lorenzy-Bruderschaft gestellt werden damit die ewig Wochen Mess zu tun un zu vollbringen zu Lob und zu Ehren Gott dem Herrn, mit Hennrich obgenannt meinen Erben und allen Wohltätern zu Trost und zu Heil unseren sollen Behältnis hier in mir und meinen Erben aller unser Gerchtigkeit andern unsern Schafftgütern auswendig der gemeldeten Marien Capellen und Heiligenborn und zu unsern Händen alle Jahre zu seiner Zeit der gefallen ist zu handreichen und zu liefern allen obegenannten wie sie dann hier vorgeschrieben stand han ich Hennrich von Rullingen obgenannt for ich und meine Erben in guten treuen Gerede ohne allen Grund und Arglist aufrichtig und wahrlich noch Herkommen Urkundt der Wahrheit mein eigen lnsiegel ‚an diesem Brief gehangen der gegeben ward auf Montag der liegt nach dem Sonntag Indiea in Anno Domino XVC (1500).
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Hülzweiler Kirw 1941

"Und morgen ist Hüzweiler Kirmes"
Mathias Löb, 9. August 1941, Saar-Zeitilng
"Wem is die Kirw ?", so grüßten sich in früherer Zeit die jungen wie die alten Hülzweilerer kurz vor dem l0. August. "Uus", war der Gegengruß.
Die Bewohner sind stolz auf ihre Kirmes; schon über dreihundert Jahre hat das Bergmannsdorf seine Kirmes. Sie ist keine Geschäfts-, noch eine gemachte Sommerkirmes sondern weit mehr: Sie ist ein Volksfest. Hülzweiler lässt sich diesen Tag als Kirmes nicht nehmen. Fällt der Tag auf den Sonntag, nämlich den l0. August, dann wird sie auf den Tag gefeiert. Ist der l0. August ein Montag, dann ist der 9. schon der Kirmessonntag. Fällt er aber auf einen Dienstag, so ist die Kirmes erst am Sonntag danach.
Als vor dem Weltkrieg ein strenger Bergwerksdirektor mit dem Vorschlag kam, sämtliche Kirmesfeste der Umgebung auf einen Tag zu feiern, wehrten sich die von Hülzweiler erfolgreich gegen dieses Ansinnen. Viel Meckerei und Spott mussten sie deshalb einstecken und hämische Sprüche zierten in den benachbarten Gruben, wo Leute aus Hülzweiler unter Tage arbeiteten. Es wurde zeitweise so arg, dass die Grubenbehörden einschritten und diese "Inschriften" im Jahre 1913 verboten.
Die ältere Generation erinnert sich noch gerne an das Gepräge, das unser Kirmesmarkt hatte. Da gab es Jahr um Jahr besondere Marktstände, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Verlor ein Bergmann einmal sein Messer, konnte er an Kirmes ein neues Messer aus Solingen erstehen. Die jungen Burschen kauften der Allerliebsten ein Zuckerherz.
Im feierlichen Umzug wurde Samstags die Kirmes am Wald abgeholt. Dann herrschten drei Tage frohes Leben und Treiben im Ort.
Doch hatte es Zeit gebraucht, bis es zu einem normalen Miteinander der "Freemen" mit den Einheimischen gekommen war.
Der Zeitungsartikel "Von Nah und Fern" stammt aus der Feder von Mathias Löb aus der Schwarzenholzer Straße und wurde in dem viel gelesenen "Saarlouiser Journal" veröffentlicht. Mathias Löb, auch unter dem Namen “Tullen Matz" bekannt und auch beliebt, veröffentlichte gerne Besonderheiten aus dem Tagesgeschehen von Hülzweiler.
Matbias Löb oder “Tullen Matz" war Junggeselle, arbeitete als Bergmann unter Tage. Er war viele Jahre Kassierer der Christlichen Gewerkschaft, doch sein besonderes Interesse galt von eh und je dem Zeitgeschehen in der Gemeinde, das er genau verfolgte und auch in den Zeitungen der Öffentlichkeit zugänglich machte.
Nach dem Ausscheiden aus dem "Saarlouiser Journal" wurden seine Artikel gerne in der "SaarZeitung" veröffentlicht und gelesen.
Mathias Lob, geb. am 22. Februar 1885, schrieb seine Artikel bis in die ersten Jahre nach dem letzten Krieg. Seine humorvolle und freundliche Art mit seinen Mitmenschen umzugehen und nicht zuletzt seine Zeitungsartikel machten ihn zu einem bekannten und beliebten Zeitgenossen in Hülzweiler.
Dem Theaterspiel war er besonders eng verbunden, und anlässlich des Wettstreites 1926 war er Mitglied des “Ehrenausschusses des Theatervereins Veritas“, dem er diesen Artikel widmete.