Schanzeinsatz

(Heinz Bernard & Josef Strauß)

Als Mitte Jahres 1944 die Front immer näher kam, hieß es dann „Auf zum letzten Gefecht“

Alles, was nicht schon zur Wehrmacht einberufen war, musste zum „Schanzen“ antreten. Alte Männer, Frauen, Kinder, Fremdarbeiter und Kriegsgefangene sollten ein Bollwerk aus Gräben und Panzergräben ausbauen, an dem der Feind zum Stillstand kommen sollte. Ende Juli 1944 waren die Hitlerjungen aus Hülzweiler auf den Gauhöhen bei Ittersdorf unter Führung von verwundeten Soldaten im Schanzeinsatz, um Schützengräben auszuwerfen. Auf dem Röderberg zwischen Roden und Dillingen wurden unter der Führung des verwundeten Oberfeldwebels Hugo Langenfeld aus Hülzweiler Geschützstellungen und Laufgräben zwischen den einzelnen Batterien ausgehoben. Eine Batterie von Vierlingsgeschützen gab Feuerschutz gegen die ständig angreifenden „Jabos“ (Jagdbomber). Da die Arbeiten nicht schnell genug vorankamen, wurde im September 1944 eine große Schanzaktion ins Leben gerufen. Kriegsgefangene, Zivilisten und Angehörige von verschiedensten Partieorganisationen wurden für den Schanzeinsatz verpflichtet. Unter der Anleitung von meist kriegsversehrten Soldaten wurden Panzerdeckungslöcher, Laufgräben und Stellungen ausgehoben. Die größte und schwierigste Aufgabe aber war das Ausheben eines so genannte „Panzergrabens“. Mit seinen Ausmaßen von 5 – 6m Breite und 4 – 5m Tiefe sollte er feindliche Panzer aufhalten. Vom Ensdorfer Schwimmbad kommend verlief dieser Graben durch den Ensdorfer Wald, überquerte die Straße zwischen Saarlautern 3 (Fraulautern) östlich des Saarschachtes über den Sandberg Richtung Dillingen. Da die Arbeiten nicht schnell genug vorankamen, wurden Hitlerjugend und BDM aus dem gesamten Reichsgebiet an den Westwall abkommandiert. Im Raum Saarlautern lagen etwa 3000 Hitlerjungen aus dem Gebiet 39 – deckungsgleich mit dem Gau Mainfranken und der Hauptstadt Würzburg. In Hülzweiler lag davon der Bann 309 mit weit über 500 Jungs und ca. 30 Mädels im Alter zwischen 14 und 16 Jahren. In der Knaben- und Mädchenschule gegenüber der Kirche befanden sich das Kranken-Revier, die Wache und die Brotschneideküche. Dazu belegte die Gefolgschaft 9 der Motor – HJ in einer Stärke von rund 60 Mann die ehemaligen Schulsäle. Im Gasthaus Max Uhl war die Mädelgruppe mit 35 Mädchen und die Banngeschäftsstelle einquartiert . Der Saal Kutscher – Lind in der Saarwellinger Straße war mit 150 Jungen der „Eisernen Schar“, der Marine - HJ und dem Stab belegt, der Saal Kutscher – Strauß in der Schwarzenholzer Straße mit 120 Jungs der Flieger – HJ. In der Schule „Hinter den Gärten“ – heute Bürgerhaus Matthias Kohn – lagen 80 Schüler der Lehrerbildungsanstalt Würzburg. In der alten „Löwes Schule“ in der Fraulauterner Straße hatten der Streifendienst und 160 Lehrlinge aus dem Mainfränkischen Lehrlingsheim ihre Unterkunft. Da das unmittelbare Kriegsgeschehen immer näher rückte, schickte man diese „Kinder“ zum Glück Ende November nach Hause. Ab Mitte November wurde ein Teil der Bunker durch deutsche Truppen, welche aus zusammen gewürfelten Einheiten bestanden, besetzt.  Das Kriegsgeschehen verlagerte sich direkt in unsere Heimat. Am 29. November 1944 gegen 23 Uhr schlugen die ersten Granaten auf dem Kaninchenberg ein. Der Beschuss dauerte bis in den frühen Morgen. In der ersten Dezemberwoche wurden dann auch die drei Bunker östlich von Hülzweiler durch zurückweichende Soldaten der Kampfgruppe „von Mühlen“ besetzt. Einige Bunker wurden auch mit Leuten des Volkssturmes belegt.

Eine zweite Evakuierung, besser gesagt, ein erneutes Flüchten war angesagt. Mit Fuhrwerken, Handwagen, Fahrrädern und Tragegepäck verließen viele schon nach den ersten Granateinschlägen ihre Häuser und flüchteten in Richtung Schwarzenholz. Es war ein gefährliches Unterfangen. Die feindlichen Jagdbomber griffen alles an, was sich auf Erden bewegte. In der darauf folgenden Nacht setzte das Granatfeuer verstärkt ein. Ganz Hülzweiler war unter Beschuss, ganz besonders der Kapeller Wald, in dem eine deutsche Artilleriebatterie ihre Stellung hatte, die bald das Feuer erwiderte.

In den letzten Wochen davor versteckten viele Menschen ihre Habe, Bett- und Tischwäsche, Gläser mit eingemachtem Obst und Dosen mit Wurst und Fleisch von der letzten Hausschlachtung in ihren Kellern,  in der Hoffnung, das versteckte Gut bei der Rückkehr nach „Kriegsende“ wohlbehalten vorzufinden.

Nach einem erneuten Bombenangriff  auf Saarlautern am  01. Dezember 1944 machten sich auch die Letzten mit einem Handwagen, auf dem die wenigen Habseligkeiten, die sie mitnehmen konnten verstaut waren, auf die Flucht. Von einer geordneten Rückführung konnte keine Rede mehr sein. Jeder war auf sich allein gestellt. Schon nach einigen hundert Metern gerieten sie auf dem Schwalbacher Berg in einen Jabo - Angriff (Jagdbomber), der Gott sei Dank ohne Opfer vorüber ging. Eine lange Kolonne von flüchtenden Frauen mit ihren Kindern zog durch Schwarzenholz in Richtung Heusweiler. Ein lohnendes Ziel für die Tiefflieger. Es gab immer wieder Tote und Verwundete. Die Menschen hatten nicht mehr vor, weit von unserem Dorf weg zu ziehen. Aber nirgendwo Platz, alles war überbelegt mit Flüchtlingen. Die allein stehenden Frauen mit ihren Kindern suchten verzweifelt nach einer Bleibe. Ab dem 16. März 1945 gab es dann die ersten Genehmigungen zur Rückkehr in die Heimat. Es begann das gleiche Spiel wie 5 Jahre zuvor. Alle Kräfte mussten aufgebracht werden zum Wiederaufbau, zum Ausbessern und dem Organisieren von Lebensmitteln. Der Garten wurde in Ordnung gebracht, da er lebensnotwenig werden sollte. Es war schlimmer als während des Krieges, nur dass die Angst vor einem Luftangriff nicht mehr gegeben war. Hunger und Entbehrungen waren an der Tagesordnung, der Schwarzhandel blühte wie nie zuvor, Bargeld zählte nicht mehr, Tauschhandel war die Geschäftsordnung.