DER FLUGZEUGABSTURZ AM LAUTERBORNWEIHER

von Otto Wilhelm

Im Spätsommer 1937 erregte ein Ereignis besonderer Art die Gemüter der Leute von Hülzweiler. Die Gerüchte über einen bevorstehenden Krieg machten schon lange die Runde. die älteren Männer erzählten Geschichten aus dem Ersten Weltkrieg und der Name des „Erbfeindes“ wurde immer öfter erwähnt. So war es nicht verwunderlich. dass der Absturz eines französischen Flugzeuges in der Nähe des Lauterbomes helle Aufregung hervorrief. Wie sich später herausstellte, hatte sich die Maschine in einem Gewittersturm verirrt und war über die nahe Grenze geraten. Der Pilot machte in den Wiesen am alten Bom eine Notlandung.

Die Nachricht, dass ein französischer „Spion“ abgestürzt sei, machte in Windeseile die Runde im oberen Dorf. Uns Buben konnte niemand mehr aufhalten. Wir liefen. um den „Spion“ zu sehen. Vorbei ging es an der Lehmkaul in Richtung Lauterbom. Bald sahen wir das Flugzeug. Es war das erste Fluggerät das wir am Boden überhaupt gesehen hatten. ln einem abgeernteten Stoppelstück (Kornfeld) stand die Maschine mit dem Schwanz nach oben fast senkrecht in der Luft, sonst unbeschädigt. Der Motor hatte sich etwas in den Boden gewühlt. Es war ein Doppeldecker, und schon von weitem sahen wir die blau-weiß-roten Kokardenringe an den Tragflächen des „Spionageflugzeuges“. Sie schienen uns wie die Augen eines Ungeheuers. Ein unglaubliches Erlebnis für uns Kinder. Einige Männer standen bereits in der Nähe der Maschine.

Wir gingen näher. und dann sahen wir ihn, den „Spion“. Es war der Pilot. der anscheinend unverletzt die Notlandung überlebt hatte. Er trug einen hellen Overall und hatte in der Hand eine Motorradbrille und auf dem Kopf eine Lederkappe. Mutiger geworden gingen wir näher und betrachteten das Flugzeug und den Piloten. Die Maschine war olivgrün und aus der Nähe gesehen schien sie uns gar nicht mehr so groß zu sein. Nun kamen von allen Seiten Leute gelaufen, doch dann erschienen die Landjäger von Hülzweiler und alle wurden verjagt. Wir Buben zogen uns auf die Höhe des alten Steinbruches zurück und harrten der Dinge,

Nach einer halben Stunde kam ein Auto und einige Soldaten stiegen aus und gingen zum Flugzeug. Sie sprachen mit dem Piloten und gingen kurze Zeit spater mit ihm zum Auto zurück. Ein Soldat blieb mit den Landjägem am Flugzeug. Niemand durfte sich der Maschine nähern. Wir blieben auf unserem Aussichtsplatz bis zum Einbruch der Dunkelheit und beschlossen am nächsten Morgen zeitig Wieder zu erscheinen, es waren ja Ferien. Tags darauf in der Frühe rannten wir wieder los. Als wir am Steinbruch ankamen sahen wir, dass die Maschine verschwunden war. Die Absturzstelle war leer. Nur Reifenspuren und aufgewühlte Erde war noch zu sehen. Das Flugzeug hatte man in der Nacht abtransportiert und der Pilot war in allen Ehren nach Frankreich überstellt worden. Doch für die Leute war die Geschichte vom „Spion“ viel reizvoller und vor allem für uns Kinder. Sie wurde immer wieder aufgewämt, wenn von Spionen die Rede war.

Zwei Jahre zuvor war ein Sport-Flugzeug in der Nähe des Ensdorfer Waldes abgestürzt, und im Jahre 1934 war ein Flugzeug in der Nähe des Ostschachtes notgelandet. Es waren aber keine französischen Flugzeuge gewesen, somit auch keine „Spione“ und deshalb nicht so geheimnisvoll und interessant.

 Der Flugzeugabsturz am Lauterborner Weiher